
Es ist kein Geheimnis, dass die sogenannten sozialen Medien sehr oft das Gegenteil von sozial sind.
Doch keine Sorge, dies wird kein Aufreger über das "böse" Internet.
Ich bin sehr gerne dort unterwegs und habe viele tolle Menschen kennengelernt - auch „IRL“ = in real life.
Es kuschelt sich sehr gemütlich in der eigenen Bubble, und beruflich geht nichts ohne Instagram & Co.
Dialog und respektvoller Austausch sind möglich, aber es wird auch viel Gift versprüht.
Ab und zu habe ich mich durch den Facebook-Account von katholisch.de geklickt und war immer wieder fassungslos darüber, welches Verständnis von Meinungsfreiheit manche Zeitgenossen haben.
Es ist beschämend, wenn Menschen, insbesondere solche, die sich als Christ*innen bezeichnen, tonnenweise Haß und Häme im Netz verbreiten. Wann immer auf katholisch.de beispielsweise ein Artikel zur Bewegung "Out in Church" erscheint, kann man sicher sein: Geifer und Gift sitzen in den Startlöchern. Ebenso, wenn es um die Öffnung aller Dienste, einschließlich höchster kirchlicher Ämter für Menschen geht, die nicht männlich, heterosexuell und unverheiratet sind. Auch Berichte über den Synodalen Weg werden in schöner Regelmäßigkeit mit haßerfüllten Kommentaren garniert.
Gelegentlich habe ich mich in die Kommentarspalten geklickt und eingemischt.
Habe versucht, dem Hass und der Verachtung etwas entgegenzustellen. Habe mich rausgewagt und versucht, „Ally“ (Verbündete) zu sein für diejenigen, die handfest von Diskriminierung und Marginalisierung betroffen sind.
Ob mir das gelungen ist...keine Ahnung. Es hat mich auf jeden Fall Nerven gekostet.
Manchmal war es wie ein dunkler Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Obwohl ich genau wusste, dass ein Teil der Menschen, mit denen ich in Dispute verstrickt war, schlicht und ergreifend nicht zugänglich für Argumente oder eine empathische Sichtweise sind, habe ich es immer wieder versucht.
Ich wollte nicht akzeptieren, dass manche Christ*innen auch heute noch davon überzeugt sind, dass Gnade, Segen und Zugehörigkeit einzig und allein einer exklusiven Gruppe von Menschen zusteht, die streng nach Lehrbuch glaubt und lebt.
Ich kann bis heute nicht begreifen dass es Menschen gibt, die vergessen (oder nie verstanden) haben, dass da wirklich viele Wohnungen sind in diesem großen Haus, in dem viele Arten von Leben, Liebe und Gemeinschaft möglich sind.
Oft war eine große Leere in mir, wenn ich wieder einmal eine fruchtlose Auseinandersetzung hinter mir hatte.
Dabei wollte ich doch in seliger Selbstüberschätung eine von den „Guten“ sein. Wollte für mehr Offenheit und Respekt eintreten und „das Netz nicht dem Hass überlassen“ wie es so schön heisst.
Dabei bin ich dem Netz selbst in die Fänge geraten. Konnte nicht aufhören, konnte die Hater nicht vom Hass befreien.
Wie eine Niederlage hat es sich angefühlt, wie persönliches Versagen.
Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen, also habe ich es wieder und wieder versucht:
Habe mir messerscharfe Sätze zurecht geschnitzt und auf glühender Tastatur gegen Verständnislosigkeit und Herzenskälte angeschrieben.
Damit ist seit dem Sommer Schluss.
Ich bin rausgeflogen. Habe den Zugriff auf meinen Account verloren, wahrscheinlich durch eigene Dusseligkeit, einen Hack oder irgendeinen Stolperstein in den Algorithmen der Datenkrake.
Nachdem Wut und Ohnmacht* sich etwas verflüchtigt haben, kann ich inzwischen die neue Freiheit genießen und mir aus der Distanz Gedanken über meine wirklichen Motive machen.
Ging es mir wirklich hauptsächlich um das „Ally“-Sein? Oder ging es auch ums Recht haben, ums letzte Wort, um das gute Gefühl, zu denen zu gehören, denen die Heilige Geistkraft den Wind of Change unter die Flügel geweht hat?
Blumig-biblisch heisst es: Wir sollen „einander in Liebe ertragen“ und „geschwisterlich“ Kirche sein.
Nun ja, wer Geschwister hat weiß: Da ist keinesfalls nur Kuschelkurs angesagt.
Und wer Jesus von der klebrigen „Love-And-Peace“ - Zuckerschicht befreit hat weiß auch, dass es nicht einfach nur darum geht, lieb zu sein und sich jeglichen Mist gefallen zu lassen.
In den Evangelien, der sog. "frohen Botschaft", sind verstörende und schwer verstehbare Passagen zu finden, die Jesus als radikalen und extremen Menschen zeichnen. Als einen, der Ungerechtigkeiten nicht schlucken will, der sich ganz bewusst Feinde macht und diese auch verbal angreift. Er prophezeit Unfrieden und Spaltung, er droht mit dem Gericht und duldet keine Halbherzigkeit, wenn man mit ihm gehen will. Jesus fordert, und er über-fordert auch. Bis heute!
Schon immer gab es tiefe Konflikte zwischen den Jesus-Nachfolgenden, daran hat sich bis heute nichts geändert.
Man stritt um den richtigen Glauben, man stritt darüber, wer unter welchen Bedingungen dabei sein durfte und wer nicht.
Man streitet bis heute über Jesus selbst: Wer war er, was ist er? Was hat er tatsächlich gesagt und - viel entscheidender - wie hat er es wirklich gemeint?
Und man stritt - natürlich - auch schon darüber, wie man "richtig" zu streiten hat.
Ich nehme nun also meine erzwungene Facebook-Pause an und werde weiter darüber nachdenken, wie man das sinnvoll tun kann, dieses Streiten für die „gute Sache“. Denn dass aus giften Worten handfeste Gewalt gegenüber anderen Menschen werden kann, ist täglich überall auf der Welt zu erleben, auch hier in Kiel, wo es gerade eine brutale Messer-Attacke auf Menschen aus der LGTBQI+ Community gegeben hat. Damit werde ich mich nie abfinden, egal wie wenig Erfolg meine eigenen Bemühungen auch haben mögen.
Bis dahin kommen hier ein paar Schnipsel aus den katholischen Kommentarspalten bei Facebook, die teilweise an Absurdität nicht zu überbieten sind. Weinen oder Lachen...entscheidet selbst!
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Ich freue mich über Eure Gedanken und Kommentare. Hate wird nicht freigeschaltet.
*Selbstverständlich werde ich Wege suchen, um mir meinen Account zurück zu holen, auch wenn es dauern wird und vielleicht nicht klappt.