Drinnen oder draußen?

Skizze: "Warten" zeigt eine nächtliche Szenerie. Frauen warten vor einer verschlossenen Haustür, einige sind eingeschlafen. Eine kleine Lampe brennt. Im  Hintergrund erscheint Jesus auf der Bildfläche und nähert sich den wartenden Frauen. Sterne am Himmel

Immer gut vorbereitet sein - das schadet nie, oder?

Naja, ich selbst renne vielen Dingen und guten Vorhaben ziemlich oft hinterher, statt vorher alles Tip-Top im Kasten zu haben. Vergesslich bin ich auch gerne mal oder schusselig, wie man es etwas freundlicher sagen könnte. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon auf halbem Weg zur Bushaltestelle umgedreht bin, weil ich meinen Ladenschlüssel vergessen habe. Oder die Maske, unser liebstes Accessoire seit langem.

Dabei habe ich genug von den Papierfetzen auf Vorrat zu Hause, und manchmal habe ich sogar ein paar mehr Exemplare im Rucksack und bin - tadaaaa - gut vorbereitet.

Dieser Tage heisst das: Ich darf rein, wenn ich gut vorbereitet bin. Ich darf dabei sein. Im Café, oder - heute aktuell - im Gottesdienst. Drinnen und draußen, dieser Tage ein heißes Eisen.

 

Kürzlich ging es in einem biblischen Text mal wieder um die klugen und die törichten Jungfrauen, die gemeinsam vor verschlossener Tür auf den Bräutigam (Jesus, logisch) warten. Die "klugen" Frauen haben Lampen und genug Lampenöl dabei, die "törichten" haben nur ihre Lampen, das Öl haben sie vergessen. Sie warten gemeinsam eine halbe Ewigkeit und schlafen darüber ein, denn es kommt einfach keiner.

Als der Bräutigam dann endlich angekündigt wird, verpassen die "törichten" Frauen den Bräutigam, weil sie versucht haben, auf die Schnelle noch Lampenöl zu kaufen. Die anderen Frauen wollten ihnen nämlich nichts von ihrem Öl abgeben, und haben sie mitten in der Nacht zu den Händlern geschickt.

Als sie zurück kommen, kassieren sie vom Bräutigam eine eindeutige Abfuhr wegen schlechter Vorbereitung, die Tür bleibt zu und die Frauen draußen.

 

Ja, da ist sie wieder, diese so gar nicht barmherzige Seite von Jesus. Klar, es ist eine antike Lehrerzählung mit Abschreckungsmotiven versus Belohnung, und irgendwie stimmt es ja auch: Wer zu spät kommt und dann noch die Hälfte vergessen hat, den bestraft eben das Leben. Hat jeder von uns schon selbst erlebt.

Gerade heute wieder ergab es sich:

Ich bin zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder zum Gottesdienst gegangen, und als ich in der Kirche saß, bekam ich mit, wie eine andere Frau nicht hinein durfte, weil sie ihre Maske vergessen hatte und es zu spät für sie war, nochmal zurück zu fahren. Pech gehabt.

Reflexartig habe ich in meinem Rucksack gekramt weil ich hoffte, ich könnte ihr eine frische Maske anbieten - aber ich hatte ausgerechnet heute keine dabei. Andere Leute offenbar auch nicht, also musste sie draußen bleiben.

Und dann saß ich da und dachte an das Gleichnis mit den ausgesperrten Jungfrauen und begann mich zu ärgern.

Zuerst mal über die "klugen" Frauen, weil die ja vielleicht auch schon früher hätten merken können, dass die anderen Frauen kein Öl dabei hatten. Aber nein, sie schicken sie mitten in der Nacht weg, statt ihnen wenigstens ein bisschen was von ihrem eigenen Öl abzugeben.

Und - wären sie wirklich klug gewesen, hätten sie vielleicht direkt etwas mehr Öl eingepackt - weil kluge Leute doch wissen, dass immer irgendjemand was vergisst, dem man dann aushelfen kann.

Dann habe ich mich über Jesus geärgert. Der hätte ja gerne eine seiner strengen Mahnreden raushauen können, aber die vergesslichen Frauen haben sich ja sicher schon selbst angeklagt und für ihre Schusseligkeit geschämt.

Und - sollte es nicht so sein, dass auch der Gastgeber seine Feier gut vorbereitet?

In einem gut sortierten Haushalt wäre doch sicher etwas Lampenöl für vergessliche Gäste oder Nachzügler zu finden gewesen.

So, wie heute in der Kirche vielleicht auch am Empfangstisch eine Schachtel mit Masken hätte deponiert sein können - für die Vergesslichen, die Verpeilten und die Kurzentschlossenen. Damit auch sie an der gemeinsamen Feier hätten teilnehmen können und nicht abgewiesen werden müssen.

Zum Schluss habe ich mich dann noch ein bisschen über mich selbst geärgert.

Weil auch ich nicht aushelfen konnte, sondern nur für mich selbst gesorgt hatte wie die "klugen" Frauen.

 

Im Gleichnis geht es natürlich nicht um so etwas banales wie vergessene Masken, sondern um das "Himmelreich" und darum, dass eben nicht jede:r einfach so hineinspazieren kann. Auf Jesuanisch heisst das: "Ein bisschen mir nachfolgen geht nicht, ich akzeptiere nur ganz oder gar nicht."

Fordernd - oder überfordernd?

Was auch immer man heute unter dem "Himmelreich" versteht - ich hätte mir hier einen Jesus gewünscht, der niemanden mitten in der Nacht vor der Tür stehen lässt, der oder die sich auf den Weg zu ihm gemacht hat - egal wie gut oder schlecht die Vorbereitung gewesen ist.

Es gibt in den Evangelien viele Beispiele eines Jesus, der unerbittlich und nicht einladend ist, der Bedingungen stellt und Hilfe verweigert - der sich dann aber auch wieder als lernfähig erweist und sich von Menschen "etwas sagen" lässt, die sonst kaum Gehör in der damaligen Gesellschaft finden.

 

 

Gerade davon könnte meine Kirche, die Weltmeisterin im Aussperren und Abweisen ist, noch viel lernen.

 

 

 

Zeichnung: Digitale Skizze, M. Kröger 2021

 

 

 

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